Einfache Sprache ist im Prinzip etwas Gutes. Vor einigen Jahren hat der Verein Deutsche Sprache dem Netzwerk „Mensch zuerst e.V.“ dafür den Initiativpreis Deutsche Sprache zuerkannt. So werde geistig behinderten Menschen die Teilhabe am sozialen Leben erleichtert. Und nur an diese richte sich das Angebot. Und vor allem: Nur diese würden angesprochen.
Offenbar hält die Tagesschau aber alle ihre verbliebenen Zuschauer für geistig behindert. Denn ihre Einfach-Ausgabe wird seit kurzem jeden Tag um 19:00 für alle ausgestrahlt. Und schon ab 18:00 ist sie unter tagesschau.de/einfache-sprache und in der Tageschau-App für die gesamte Republik verfügbar. Und was verfügbar ist, wird auch geguckt. Wenn demnächst die ersten Zuschaueranalysen vorliegen, wird sich zeigen, wer einschaltet. Vermutlich kein wesentlich von den 20-Uhr-Guckern verschiedenes Publikum. Geistig behindert sind die Stammseher allenfalls hinterher. „Das Fernsehen ist nicht für Idioten, es erzeugt sie“ hat der große Medienkritiker Neil Postman einmal gesagt. Quasi mühelos zieht es sein Publikum auf jedes noch so schwache Niveau hinab.
Anpassung nach unten ist immer leicht. Das Niveau zu heben aber schwer. Liebe Leute von der Tagesschau: Warum helft ihr nicht mit, den Wortschatz der Bundesbürger zu vergrößern statt ihn zu verkleinern? Die grauen Gehirnzellen anzuregen statt sie zu sedieren? Mit Angeberdeutsch und Gelehrtengeschwurbel hat das nichts zu tun. Verständlich und dennoch anspruchsvoll zu schreiben und zu reden ist möglich. Einfach mal die Nase in das Werk eures großen Journalistenkollegen Wolf Schneider stecken. Oder nehmt euch irgendein Buch eines bekannten, später zum Ossi gewordenen Frankfurters, der vor knapp 200 Jahren verstorben ist, und redet so wie dieser schreibt. Die Alzheimer-Prophylaxe-Bewegung wird euch dankbar sein.